Die Wanderung steht im Zeichen des Wassers, seiner Herkunft und seinen verschiedenen Funktionen: als Trinkwasser, zur Bewässerung der Wiesen im Oberlauf der Kahl, als Antrieb für Getreide- und Sägemühlen, als Kühlung bei der Glasproduktion, zur Speisung der Forellenteiche, zur Erfrischung bei den Kneipp-Anwendungen ... Beim Wandern durch die ausgesprochen liebliche, anscheinend naturbelassene Landschaft wird leicht übersehen, dass wir uns im Oberen Kahlgrund, weitab vom heutigen Ballungsgebiet, in einer von Menschen schon vor Jahrhunderten gestalteten Industrielandschaft befinden, deren Zeugnisse wir auf dem Rundweg entdecken können.
Von der neben der Kleinkahler Kirche aufgestellten Informationstafel gehen wir geradeaus zur Kahl. Wir laufen kurz nach links, überqueren das Flüssschen und halten uns nach der Brücke rechts. Flussaufwärts geht es an der jungen Kahl entlang; mal am rechten mal am linken Ufer. Etwas Abenteuer gefällig? Wie in einem Zauberland fühlen wir uns im Schilfbiotop. Anschließend können wir uns in der Wassertretanlage erfrischen. Die "qualmenden Socken" können wir ausziehen. Die Kühlung tut den Füßen gut. Pfarrer Kneipp würde sich freuen! Kurz nach dem Wasserspaß stoßen wir auf das erste Industriedenkmal. Auf der gegenüberliegenden Seite der Staatsstraße liegt der von unserem jetzigen Standort schwer zu erkennende Wesemichhof. Kaum zu glauben, dass sich hier das Königlich Bayerische Bergamt befand, von der aus die bayerischen Bergbauaktivitäten verwaltet wurden. Das war in einer Zeit, als der Name Kahl nicht mit dem Ort am Untermain, sondern mit Großkahl in Verbindung gebracht wurde. Hier wurde aber nicht nur verwaltet, sondern auch aktiv Bergbau betrieben: der in der Übergangszone zwischen Vor- und Hochspessart nahe der Erdoberfläche anstehende Kupferschiefer wurde im Untertagebau abgebaut und aus ihm in einem mehrstufigen Verfahren Edelmetall gewonnen. Die Stollen wurden 1835 geschlossen, ein Mundloch ist wegen des Wasseraustritts noch gut bei der Wassertretanlage zu erkennen. Der nächste ehemalige Industriestandort liegt ebenfalls an der Staatsstraße. Der Glashüttenhof auf schönbornischem Gebiet wurde 1761 erbaut. 1934 erwarb die evangelische Landeskirche Stuttgart Gebäude, Glaswerk und Forst und nutzt den Hof seitdem als Jugendbildungs- und Begegnungsstätte. Vorbei an Forellenteichen erreichen wir den Weiler Bamberger Mühle, in dem seit den 1920er Jahren intensiv Fremdenverkehr für Sommerfrischler betrieben wird. An den Weiler grenzen die beiden Kahlquellen (4,2 km) links und rechts der Staatsstraße. Das Niederschlagswasser rinnt durch den klüftigen Sandstein, bis er auf den wasserundurchlässigen, mit Ton angereicherten Bröckelschiefer trifft und dann in von Menschen angelegten Töpfen gefasst wird, um Trinkwasserqualität zu gewährleisten. An den Quellen biegt das "Schiffchen" nach rechts in den Wald, und nach einer Rechtskehre treten wir den Rückweg an. Wieder begegnen wir Glashütten-Resten, genauer gesagt handelt es sich um zwei Hütten, die etwas versteckt im Wald liegenden Epstein-Hütten. Die Überreste der "echten" Glashütte aus den Jahren 1510/1512 wurden vorsorglich abgedeckt. Die sichtbare Nachbildung soll an die Zeit der Glashütten im Spessart erinnern. Diese Hütten waren in mainzischem Besitz. Hier wurden vor allem Hohlgläser, also Trinkgefäße und Flaschen hergestellt. Im kühlen Wald "befeuchten" Hangsickerquellen den Weg (Achtung: Im Winter vereist!). Im Gegensatz zu den von Menschen gefassten Kahlquellen tritt ihr Wasser flächenmäßig auf. Die weitgehend konstante Wassertemperatur bietet einen Lebensraum für seltene Tiere. Wir verlassen den Wald und genießen den freien Blick über den Kahlgrund. Besonders eindrucksvoll ist das Panorama oberhalb der Fatimagrotte (7,2 km). Auf dem an einem Treppenaufgang angelegten Kreuzgang geht es von der Grotte steil bergab nach Edelbach. Im Ort kommen wir an der Bushaltestelle Kindergarten vorbei (hier fährt Bus 27 nach Schöllkrippen). Nach dem Ort laufen wir über freies Feld nach Kleinkahl, das uns am Wegweiser Eckenweg (8,9 km) mit einer schattigen Bank neben einer Grillstelle empfängt. Der Kulturweg führt in den Ort; auf dem Weg zur Kirche kommen wir an der "Dorfschänke" vorbei.
Quelle:
Manfred Frühwacht: Kahlgrund entdecken und schmecken
CoCon-Verlag, Hanau
ISBN: 978-3-86312-225-4
www.cocon-verlag.de